Als arbeitender Mensch in Balance zu bleiben, ist eine Kunst, die ein Gespür für Bedürfnisse, Möglichkeiten, Fähigkeiten, Ressourcen, Anforderungen und Werte in unserem Privat- und Berufsleben erfordert. Um in Balance zu kommen und zu bleiben, müssen wir wissen, was unser persönliches Gleichgewicht ausmacht. Der Begriff Work-Life-Balance ist dabei nicht unumstritten. Nach meinem Verständnis soll damit allerdings nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass Arbeit ein Gegenpol zum ‚eigentlichen‘ Leben, sondern vielmehr ein integraler Bestandteil davon ist. Unsere Arbeit ist dabei im Prinzip eine wichtige Gesundheitsressource, aber in der Praxis belastet sie auch viele Menschen hin und wieder. Die Kunst ist es, meine Arbeit im Zusammenspiel mit anderen Lebensbereichen so zu gestalten, dass diese meiner Gesundheit überwiegend gut tut.
In meinen Coachings und Seminaren zum Thema Work-Life-Balance arbeite ich mit einem Modell, nach dem etwa folgende Lebensbereiche gut aufeinander abgestimmt sein sollten: Leistung & Arbeit, Körper & Gesundheit, Soziales Netzwerk, Umwelt & Umfeld, Sinn & Werte. Im Folgenden möchte ich verschiedene Aspekte dieser Lebensbereiche erörtern.
Im Bereich Leistung & Arbeit ist es erstmal wichtig, sich seine persönlichen Bedeutungen von Arbeit bewusst zu machen. Beispiele davon sind Lebenssicherung, Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses, Lebensstrukturierung, Gelegenheiten zu Kontakten und Gemeinschaft, Ausdruck von Fähigkeiten, Aufrechterhaltung von Selbstwertgefühl, Persönlichkeitsentwicklung sowie eine Anreicherung der eigenen Lebensperspektive (Hoffmann & Hofmann 2009:1-6). Beispiele von Fragen, die man sich hierzu stellen kann, sind: Wie wichtig ist meine Arbeit für mein Eigenwertgefühl? Bietet meine Arbeit mir die Möglichkeit, mich meinen Fähigkeiten und Wünschen entsprechend einzubringen und zu entfalten? Kann ich mich auch jenseits meiner Leistungen annehmen und wertschätzen? Die Beantwortung solcher Fragen bestimmt die persönliche Gestaltung und Gewichtung meiner Arbeit neben meinen anderen Lebensbereichen.
Im Bereich Körper & Gesundheit bietet sich die Möglichkeit, den eigenen Leib nicht nur als Ort von Leben & Gesundheit, sondern auch als Kompass zur Entwicklung und Anwendung von Gesundheitskompetenzen zu verstehen. Die Ganzheit von Körper und Ich, der Leib also, entwickelt sich schließlich ständig ‚im lebendigen Zusammenspiel und in Wechselwirkungen mit seiner jeweiligen natürlichen und sozialen Umwelt‘ (Milz 1992). Unser Leib ist ein ‚Kompass, der für die Findung der individuell richtigen Maßnahmen der beste Ratgeber ist: unsere inneren Signale, unser Körper-Feedback. Wenn wir unseren Appetit, unseren Bewegungsdrang, unser Bauchgefühl richtig einschätzen, helfen sie uns, die passende Ernährung, Bewegung und das richtige Maß an Belastung zu erkennen’ (Kromm u. Frank 1994:113). Zugehörige Fragen könnten sein: Wie ist mein Verhältnis zu meinem Körper, zum Beispiel wie achtsam oder wertschätzend? Welche Gesundheits- & Wellnessrituale tun mir gut?
Soziales Netz: Das persönliche Netzwerk von Partner, Freunden, Verwandten oder auch Kollegen ist eine Ressource der sozialen Unterstützung und einer gesunden Work-Life-Balance, der darauf basiert, dass ‚der Mensch eine Botschaft empfängt, die ihm das Gefühl verleiht, daß er beachtet und geliebt, geschätzt und für einen wertvollen Menschen gehalten wird und daß er an einem Netzwerk von Kommunikation und gegenseitiger Verpflichtung teilhat‘ (Aronson et al. 1983:144). Prof.Dr. Joachim Bauer dazu: ‚Kern aller Motivation ist, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben‘ und… ‚…die stärkste Droge für den Menschen sind andere Menschen‘. Mögliche Fragen zu diesem Aspekt von Work-Life-Balance sind: Was sind die Stärken meines sozialen Netzes? Was bedeuten mir meine Freunde und Verwandte, mein Partner, meine Kinder, meine Kollegen, auch in Bezug auf meine Gesundheit? Wie kann ich mein privates und berufliches Netzwerk pflegen und stärken?
Umwelt & Umfeld: Hier geht es um die Ressourcen der eigenen Umgebung als äußere Lebens- und Gesundheitsbedingungen. Fragen zu diesem Thema könnten sein: Wo möchte ich leben, in der Stadt oder auf dem Land? Nah zu meinem Heimatort oder weit weg? Wie gestalte ich meine Wohnung und meinen Garten, wie kleide ich mich? Manche Aspekte dieses Lebensbereichs sind sehr gut gestaltbar und beeinflussbar, andere weniger, zum Beispiel die Qualität der natürlichen Umwelt oder das gesellschaftliche Klima, in dem ich lebe.
Sinn & Werte: Wichtigste Grundlage von Work-Life-Balance ist die Entwicklung und Verinnerlichung eines stimmigen und realistischen Wertesystems. Eine ausbalancierte Gewichtung meiner Lebensbereiche erfordert eine lebendige Beziehung zu meinem persönlichen Wertesystem und eine dauernde Abstimmung auf äußere und innerliche Veränderungen.
Den privat-beruflichen Balanceakt pro-aktiv zu bewältigen, ist eine Fähigkeit, die Menschen oft unbewusst schon haben und praktizieren. Menschen können diese aber auch bewusst entwickeln, zum Beispiel in einem Coaching oder Seminar. Work-Life-Balance ist manchmal wie Surfen auf den Wellen des Lebens – eine Herausforderung die durchaus auch Spaß machen kann.