Was die Seele stark macht: Gesundheitsförderung nach dem Prinzip der Salutogenese
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Was ist eigentlich Gesundheit? Nach dem Verständnis der Weltgesundheitsorganisation WHO mehr als die Abwesenheit von Krankheit, sondern ein ‚Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens‘. Psychische Gesundheit gilt für die WHO als ein ‚dynamisches Gleichgewicht des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gesundheit beizutragen‘. Für die Initiative psyGA – psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist sie auch ‚eine unverzichtbare Grundlage, um im modernen Arbeitsleben zu bestehen und sich fachlich wie persönlich entwickeln zu können‘ und ‚wesentlich dafür, das Leben zu genießen und gleichzeitig Schmerzen, Enttäuschung und Unglück zu überwinden. Sie ist eine positive Lebenskraft und ein tiefer Glaube an unsere eigene Würde und unseren Selbstwert‘.
Gerade in der westlichen Arbeitswelt nehmen psychische Belastungen und Erkrankungen aber immer mehr zu: eine echte Herausforderung nicht nur für einzelne Betroffene, sondern auch für Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt; schließlich sind die psychische, fysische und soziale Dimension von Krankheit (und Gesundheit) eng miteinander verknüpft. Gesundheitsförderung sollte deshalb nicht nur beim individuellen Verhalten von Menschen, sondern auch bei ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen ansetzen. In diesem Blogbeitrag möchte ich das Konzept der Salutogenese als Grundlage einer solchen, integralen Gesundheitsförderung vorstellen.
Der israelische Arzt und Stressforscher Aaron Antonovsky untersuchte in den 1970’er Jahren die Gesundheit von Frauen, die in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegswirren sowie durch die erlebten Kriege nach ihrer Auswanderung nach Israel extrem belastende Lebenserfahrungen gemacht hatten. Als er herausfand, dass fast ein Drittel dieser Frauen dennoch in einem guten psychischen und fysischen Gesundheitszustand war, widmete er sich der Frage nach ihren Gesundheitsressourcen.
Antonovsky kam zum Schluss, dass Menschen über vielfältige, unterschiedliche Ressourcen zur Bewältigung von Belastungen verfügen, die er als generalisierte Widerstandsressourcen bezeichnet. Auf der gesellschaftlichen Ebene sind das zum Beispiel tragende soziale Strukturen sowie Frieden und Sicherheit, auf der individuellen Ebene bestimmte persönliche Kompetenzen, Ich-Stärke und soziale Unterstützung. Das beständige Vertrauen auf diese Ressourcen bezeichnet Antonovsky als Kohärenzerleben (’sense of coherence‘), das drei Aspekte hat:
– Verstehbarkeit: das Gefühl, auch schwierige und belastende Lebensereignisse letztendlich verstehen, annehmen und einordnen zu können.
– Machbarkeit; das Gefühl, den Anforderungen des Lebens durch persönliche oder soziale Ressourcen begegnen zu können.
– Sinnhaftigkeit; das Gefühl, dass das Leben und zumindest einige seiner Widrigkeiten auf irgendeine Weise einen Sinn haben und als Herausforderung angenommen werden, und auch eine aktive Lebensbewältigung an sich als Quelle von Lebenssinn empfunden wird.
Meine eigenen Seminare zum Thema Work-Life-Balance und Resilienz-Training basieren u.a. auf dem von der Zentralen Prüfstelle Prävention der Krankenkassen zertifizierten Programm zur Förderung psychosozialer Ressourcen ‚Was die Seele stark macht‘, das von Prof. Dr. Gert Kaluza entwickelt wurde. Ein wichtiges Ziel der Seminare ist der Aufbau von persönlichen und sozialen Gesundheitsfaktoren, zur Stärkung des individuellen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens, ganz im Sinne der Salutogenese und der WHO-Gesundheitsdefinition. Ansatz des Programms ist ebenfalls die Förderung psychischer Gesundheit als ‚ein dynamisches, prozesshaftes Geschehen, in dem es gilt, Wohlbefinden in Auseinandersetzung mit den alltäglichen Lebensbedingungen und -anforderungen immer wieder neu herzustellen‘ (Prof. Dr. Gert Kaluza im zugehörigen Trainingsmanual). Das Leben ist schließlich ein Fluss, sagte Aaron Antonovsky sinngemäß, man muss nur lernen, ein guter Schwimmer zu sein.