Anselm Grün fasst die Beziehungsseite unserer Arbeit anhand von Genesis 12, 2 so auf, dass Menschen füreinander zum Segen sein sollten: ‚Wir sind in diese Welt gesandt, um einen Auftrag zu erfüllen. Der ursprüngliche Auftrag, den Gott Adam und Eva gab, lautete: ‚Seid fruchtbar!‘ (Gen 1,28). Das meint nicht nur, dass sie Kinder bekommen sollen, sondern auch, dass ihr Leben Frucht bringt für die Erde und für die Menschheit‘. Es ist aber, so Grün, nicht nur unser Tun, unsere Leistung und unser Nutzen, die uns zum Segen für andere werden lassen. Manchmal ist es einfach unsere Art zu arbeiten, die der Arbeit unabhängig von inhaltlicher Befriedigung oder Ergebnissen einen Sinn gibt (Grün 2005 II:156). Eine achtsame, wertschätzende und freundliche Kommunikationskultur in Teams und Organisationen gibt Menschen ein Gefühl der Kohärenz und macht unseren Arbeitsalltag tatsächlich nachweislich nicht nur effektiver und erfolgreicher, sondern auch sinnhafter, wie aus folgendem Blogartikel hervorgeht.
Dorothee Sölle: Arbeit in Resonanz mit sich, mit anderen und mit der Schöpfung Die evangelische Theologin Dorothee Sölle unterscheidet im 1983 erschienenen Band ‚Mitarbeiter der Schöpfung; Bibel und Arbeitswelt‘ drei Dimensionen von Arbeit, die eine Art von Resonanz andeuten, wie auch der Neurobiologe Joachim Bauer sie beschreibt:
- Arbeit als Selbstausdruck des Menschen: Der Mensch ist demnach ein schöpferisches Wesen, das sich selbst durch seine Arbeit zu erkennen gibt: ‚Das kann natürlich nur dort gelingen, wo möglichst alle unsere Fähigkeiten und Kräfte am schöpferischen Prozess beteiligt sind, wo wir uns also selber lernend entwickeln…‘.
- Arbeit als soziale Beziehung: Sölle betrachtet Arbeit, ähnlich wie Anselm Grün, auch als die Art und Weise, wie die Menschen miteinander verbunden sind und Gemeinschaft schaffen. Durch unsere Arbeit bekommen wir das Gefühl, gebraucht zu werden, was ’nach den primären Bedürfnissen, die auf Nahrung, Unterkunft, Wärme und Sexualität gehen, ein zentrales menschliches Bedürfnis‘ ist (siehe auch Maslowsche Bedürfnispyramide).
- Arbeit als Versöhnung mit der Natur und Fortsetzung der Schöpfung Gottes, nicht ihre Unterwerfung: ‚Alle produktive, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Arbeit hat diesen Charakter der Versöhnung zwischen Mensch und Natur, der weitergehenden Schöpfung einer noch nicht zu Ende gekommenen Erde. Der Arbeiter ist in diesem Zusammenhang verstanden als eine Art Haushälter Gottes, dem die Erde, die Tiere, die Mineralien und Bodenschätze, die Pflanzen und anderen Lebewesen anvertraut sind‘ (Sölle 1983).
Befreiung von Existenzängsten und überzogenen beruflichen (Selbst-)ansprüchen Die ebenfalls evangelische Theologin Luise Schrottroff schildert in ihrem 1983 erschienenen Aufsatz ‚Das geschundene Volk und die Arbeit in der Ernte Gottes nach dem Matthäusevangelium‘ eine Auslegungstradition, die versucht, das Neue Testament im Sinne einer christlichen Arbeitslehre auszuwerten. Dabei ist vor allem Matthäus 6,25-34 (‚Sorge Dich nicht‘) eine wichtige Inspirationsquelle (Schrottroff 1983). Der Text könnte meines Erachtens als Einladung verstanden werden, den Lebensbereich der Arbeit nicht zu viel Raum zu geben und nicht sorgenvoll, sondern eher vertrauensvoll anzugehen. Existenzängste sind in der heutigen Arbeitsgesellschaft durchaus verständlich, dennoch können sie Menschen manchmal auch lähmen. In einem Coaching oder Seminar könnte hier die Besinnung auf wirklich wichtige persönliche Werte hilfreich sein. Bei der Entwicklung eines gesunden persönlichen Wertesystems können Werte aus der christlichen (oder einer anderen religiösen oder humanistischen Tradition) Menschen gerade in Krisensituationen inspirieren. Erzählungen über menschliche Erfahrungen von Leid und Hoffnung – auch im Lebensbereich der Arbeit – ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bücher des Alten und Neuen Testaments. Im Alten Testament und in der jüdischen Tradition besonders bedeutsam ist es die Erfahrung eines versklavten, leidenden Volkes das auf eine bessere Zukunft hofft. Und im Matthäusevangelium im Neuen Testament befinden sich die arbeitenden Menschen überwiegend in abhängigen Verhältnissen, zum Beispiel als Sklaven, Tagelöhner oder Pächter. Es sind diese leidvollen Erfahrungen, die in der christlichen Tradition häufig dazu inspirieren, an einer gerechteren, besseren (Arbeits-)welt zu arbeiten, wie zum Beispiel in der Befreiungstheologie, deren Vertreterinnen Dorothee Sölle und Luise Schrottroff beide waren. Übersetzt in die heutige Arbeitswelt könnten solche befreiungstheologischen Ansätze berufstätigen Menschen helfen, sich von manchen überzogenen beruflichen Ansprüchen zu befreien.