Burnout in Gesundheitsberufen, beratenden & sozialen Berufen – Blogreihe (3) – Persönlichkeit und Umfeld von sozialen Professionals

Zu den Gründen, weshalb Menschen in Gesundheitsberufen, beratenden & sozialen Berufen an ihrer Arbeit erkranken, gibt es persönlichkeitszentrierte sowie sozial-, arbeits- und organisationspsychologische Erklärungsansätze. Genau wie bei ihren Klienten, kann auch die Gesundheit von Mitarbeitenden in sozialen Arbeitsfeldern nur im Kontext von Sozialisation, Biografie, Lebens- und Arbeitsumfeld und Gesellschaft betrachtet werden.

Im Folgenden möchte ich ein paar Gedanken von Prof. Dr. Jörg Fengler zum Thema dieser Blogreihe noch mal näher darstellen. In ‚Helfen macht müde: Zur Analyse und Bewältigung von Burnout und beruflicher Deformation‘ beschreibt er zwei wichtige Faktoren für die Entstehung von Burnout bei Menschen in Helferberufen: Belastungen und berufliche Deformation.

Zur Burnout-Prophylaxe gehört auch eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben (Bild: dak)
Zur Burnout-Prophylaxe gehört auch eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Privatleben (Bild: dak)

Belastungen in Helferberufen

Selbstbelastung: Fengler vermutet, dass die Wahl eines Helferberufs oft mit der eigenen Biografie zusammenhängt: Die Herausforderung liegt dann laut Fengler darin, eine gute Belance zwischen Identifikation und Abgrenzung zu erreichen, damit die eigene Erfahrung nicht in eine Betroffenheit ausmündet, die die Arbeit eher behindert als ihr nützt. Eine andere Form der Selbstbelastung wäre eine übertriebene Identifikation mit persönlichen Vorbildern oder ein Übermaß an Idealismus, weil zu hoch gesteckte Ideale leicht an der Realität des Helfens zerbrechen.

Belastungen im sozialen Umfeld: Die sozialen Fähigkeiten von Helfern machen sie vielleicht attraktiv für Freunde und Verwandte. Die Gefahr lauert aber laut Fengler, dass die Rolle des Helfers auch im Privatleben im Vordergrund steht, was auf Dauer auf Kosten des eigenen Energiehaushalts geht. Besonders dramatisch tritt dieser Effekt in einer Liebesbeziehung zwischen einem helfenden und einem hilfsbedürftigen Partner auf. Außerdem ist es für das private Gegenüber eines professionellen Helfers frustrierend, wenn dieser nicht in der Lage ist, seine berufliche Rolle zu verlassen.

Belastungen durch Klienten: In der Dynamik zwischen Helfern und ihren Klienten sind manchmal bestimmte Klienteigenschaften dafür verantwortlich, dass die Arbeitsbeziehung zwischen beiden besonders anstrengend ist, zum Beispiel bei depressiven oder süchtigen Klienten. Professionelle Offenheit gleitet leicht in mangelnde Abgrenzungsfähigkeit ab (mehr zum Unterschied zwischen Mitgefühl und Empathie auf www.compassion-training.org)

Belastungen durch das Team und die Institution: Beispielsweise können sich die Größe oder Zusammensetzung eines Teams negativ auswirken, aber auch das Fehlen von Kontakt, Unterstützung oder Rückmeldung, konzeptionelle Unvereinbarkeiten, Rivalität und Neid oder Erfolglosigkeit. Auf der Institutionsebene erwähnt Fengler Personalknappheit, fehlende institutionelle Unterstützung, institutionelle Rollenkonflikte und das Fehlen von Supervision.

Berufliche Deformation in Helferberufen

Jörg Fengler definiert berufliche Deformation als Gesamtheit der Schädigungen, Verformungen, Fehlentwicklungen, Abnutzungen, Verschleißerscheinungen, Erstarrungen, Fehlorientierungen, Entfremdungen, Realitäts- und Wahrnehmungsverluste und Verkennungen in Erleben, Verhalten und Denken die im Laufe der Berufstätigkeit und durch die Berufstätigkeit bedingt auftreten. Ähnlich wie bei Belastungen unterscheidet er zwischen Deformationen auf der persönlichen Ebene, der Ebene des sozialen Umfelds und des Klientenkontakts und der institutionellen Ebene.

Selbstdeformation: Als Beispiel nennt Fengler die sog. paradigmatischen Scheuklappen, die dazu führen, dass keine offene, unvoreingenommene Wahrnehmung mehr möglich ist. Problematisch ist es auch, wenn Menschen in ihrer Freizeit noch eine therapeutische Haltung bewahren. Außerdem stellt Fengler bei manchen sozialen Professionals eine gewisse Sucht fest, in Fortbildungsseminaren immer wieder neue Methoden zu lernen, aus Angst den eigenen Ansprüchen (oder denen der anderen) nicht gerecht zu werden.

Deformation im sozialen Umfeld: Ein Beispiel dafür ist laut Fengler, wenn Helfer ihren Alltag mit Freunden und Verwandten im Vergleich zu ihrem Berufsleben als langweilig erleben. Mögliche Begleiterscheinungen dieses Empfindens wären, dass auch das private soziale Umfeld mit professionellen Augen betrachtet wird, therapeutische Techniken im Freundeskreis zweckentfremdet werden oder Partner in einer Liebesbeziehung ein Helfer-Klient-Verhältnis pflegen.

Deformation auf der Klientenebene: Beziehungen von Helfern zu ihren Klienten sind manchmal ähnlich eng wie private Beziehungen. Der Unterschied ist aber, dass Klienten abhängig sind von ihren Helfern, was die Auswirkung von Deformationserscheinungen verstärkt. Von Fengler erwähnte Zeichen beruflicher Deformation auf dieser Ebene sind: Verlust von Einfühlungsvermögen, mechanische Akzeptanz, Technisierung der Konfrontation, Schädigung der Urteilsfunktion und Selbstdarstellung therapeutischer Kompetenzen.

Institutionell bedingte Deformation: Auch der Umgang mit Kollegen, dem Team und der Institution birgt eine ganz spezifische Deformationsgefahr in sich. Ein gutes Beispiel ist, wenn Selbsterfahrung in Teams dazu führt, dass Helfer zu sensibel für ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln und eventuelle Gegenübertragungen werden und sie selbst statt ihrer Klienten im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Andere Risikofaktoren sind laut Fengler Konkurrenzdenken, kollegiale Subkulturen sowie mangelnde Leitung und institutionelle Unterstützung.

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